Übersicht
Was sind Eigenspannungen
Alle Spannungen, die in Werkstoffen bei Abwesenheit von äußerlich einwirkenden Kräften vorhanden sind, werden als Eigenspannungen bezeichnet. Diese können bereits in einem Bauteil vorhanden sein und zu denen, die durch das Vorhandensein externer Lasten erzeugt werden, hinzukommen. Infolgedessen können Eigenspannungen das Verhalten mechanischer Bauteile beeinflussen und die Struktur- und Dimensionsstabilität sowie die Ermüdungs- und Bruchsicherheit der Bauteile beeinträchtigen. Zugeigenspannungen begünstigen z. B. die Rissausbreitung und reduzieren somit die Lebensdauer eines mechanischen Bauteils. Eigenspannungen begrenzen die Belastbarkeit und Sicherheit von mechanischen Bauteilen im Betrieb und es wird unter Umständen notwendig, diese Werte zu quantifizieren.
Eigenspannungen können durch die folgenden Faktoren verursacht werden:
- Ungleichmäßige Erwärmung oder Abkühlung eines Bauteils bei Produktions- und Fertigungsprozessen (z. B. Gießen, Schmieden, Schweißen, Stanzen, Wärmebehandlung)
- Bearbeitungsverfahren, die Späne entfernen oder auch plastische Verformungen hervorrufen können (z. B. Drehen und Fräsen)
- Vollständige oder oberflächliche Wärmebehandlungen und, allgemeiner, thermische Effekte (z. B. Härten, Schweißen oder Schleifen)
- Sandstrahlen oder Kugelstrahlen
Manchmal gibt es auch eine Kombination aus einigen der oben genannten Faktoren, was den inneren Spannungszustand des Werkstoffs noch komplexer macht.
Die wichtigsten und typischen Anwendungsgebiete für Eigenspannungen sind:
- Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt
- Automobilbereich: Serienfertigung und Rennsportabteilung
- Stromerzeugung: Dampfturbinen, Windkraftanlagen und Kernkraftwerke
- Öl und Gas: Kompressor- und Turbinenteile
- Eisenbahnsektor: Rad- und Schienenmuster
- Produktionsüberwachung: Qualitätskontrolle von Oberflächen- und Wärmebehandlungen
Zusammenfassung der Messmethoden
Die Bewertung von Eigenspannungen kann mit verschiedenen Techniken durchgeführt werden, die alle auf indirekten Messungen beruhen. Das bedeutet, dass durch die Beobachtung der Veränderung verschiedener mechanischer Größen (z. B. Dehnung, Beugung) die ursprüngliche Belastung, die diesen Effekt verursacht hat, abgeschätzt werden kann.
Die verfügbaren Methoden lassen sich im Allgemeinen in 3 verschiedene Gruppen einteilen, je nach dem Grad der Schädigung, die sie in den untersuchten Proben verursachen:
- Zerstörungsfreie Methoden (Röntgenbeugung)
- Halb-zerstörende Methoden (Bohrlochmethode oder Hole drilling, Ringkernmethode oder Ring coring)
- Zerstörende Verfahren (Zerlegen oder Sectioning, inkrementelles Schneiden oder Slitting, Abtragen von Schichten oder Layering und Contour)
Zerstörungsfreie Methoden zielen darauf ab, Eigenspannungen zu messen, ohne eine Oberflächenbeschädigung des zu prüfenden Bauteils zu verursachen. Diese Methoden haben den Vorteil, dass die mechanische Probe nicht beschädigt wird; viele von ihnen haben jedoch Einschränkungen hinsichtlich der maximalen Untersuchungstiefe und der Art des Werkstoffs des zu prüfenden Bauteils.
Die gebräuchlichste zerstörungsfreie Methode ist die Röntgenbeugung, die auf dem Braggschen Gesetz basiert und die besten Ergebnisse an der Oberfläche oder in den ersten paar Mikrometern Tiefe liefert. Diese Methode funktioniert bei halbkristallinen Werkstoffen, insbesondere bei Aluminiumlegierungen und Stählen. Es kann die beste Option für die Oberflächenanalyse oder Qualitätskontrolle einer Probe sein, da die Kosten für die Messung gering sind, aber die für die Prüfung erforderliche Instrumentierung ist sehr kostspielig.
Halb-zerstörende Methoden basieren auf dem Prinzip, eine kleine Menge Material aus den Proben zu entfernen, um die Spannungen zu entlasten und Dehnungen zu erzeugen: Diese Methoden bestehen im Allgemeinen aus dem Bohren eines kleinen Lochs oder eines kleinen Schlitzes. Sie gelten als halbzerstörend, da in den meisten Fällen das Vorhandensein des Lochs oder Schlitzes die Funktionalität der Bauteile nicht beeinträchtigt.
Während dieses Vorgangs des Entfernens des Materials wird das Spannungsgleichgewicht verändert; Im Allgemeinen wird eine spezielle DMS-Rosette mit mindestens 3 Gittern im Messbereich verwendet, um die freigesetzten Dehnungen zu erfassen. Die vom DMS-Sensor erfassten Dehnungsdaten werden dann für die anschließende Berechnung der vor der Messung vorhandenen Eigenspannungen mit speziellen Algorithmen verwendet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass halbzerstörende Verfahren weit verbreitet sind, da sie eine einfache und kostengünstige Durchführung von Messungen ermöglichen; die am häufigsten verwendeten Methoden sind die Bohrlochmethode (Hole drilling) und die Ringkern-Methode (Ring coring).
Die Bohrlochmethode kann auf eine Vielzahl von Prüfmaterialien angewendet werden, darunter Standardmetalle (Aluminiumlegierungen, Stähle, Gusseisen), technische Werkstoffe (Titan- und Nickellegierungen), polymere Materialien und Verbundwerkstoffe. Die Ringkern-Methode wird im Allgemeinen bei Metallen und insbesondere bei großen Bauteilen (geschmiedet oder gegossen) angewendet. Diese Methoden liefern aussagekräftige Ergebnisse von den ersten paar Mikrometern bis zu einer Gesamttiefe von 5 mm, je nach Testkonfiguration.
Zerstörende Methoden zur Eigenspannungsmessung erfordern die vollständige Zerstörung von Prüflingen nach Entfernen eines Teils des Bauteils (durch Schneiden, Drehen, Schneiden). Diese Techniken können auf einer Dehnungsmessung (im Allgemeinen unter Verwendung eines Dehnungsmessstreifens, einer DMS-Rosette oder einer speziell ausgerichteten DMS-Kette) oder auf der Analyse der nach der Scherung erzeugten Verschiebungen basieren.
Zur ersten Familie dieser Methoden gehören die Verfahren des Zerlegens, Schneidens oder Entfernens von Schichten (Sach-Innendrehen für zylindrische Teile oder Schichtentfernung für ebene Platten). Schnitte unterschiedlicher Art und Ausrichtung (sowie das Entfernen von Materialien in verschiedenen Schichten) können am Werkstück durchgeführt werden, bis ein kleiner Bereich der Proben ganz oder teilweise geschnitten ist. Abhängig von den Testbedingungen können diese Methoden Ergebnisse zu Oberflächen- oder Tiefeneigenspannungen liefern.
In der zweiten Familie von Techniken findet man die Konturmethode: Diese Technik liefert eine zweidimensionale Karte der Eigenspannungen in Scherrichtung über den gesamten Materialquerschnitt. Die Methode erfordert ein spezielles Schneiden der Prüflinge mit einer Drahterodiermaschine; nach diesem Vorgang werden die Oberflächenverschiebungen mit einer Koordinatenmessmaschine gemessen.
Eine vollständige Tabelle mit den verschiedenen Methoden und ihrer Analysetiefe ist nachfolgend aufgeführt:
Literaturangaben und wissenschaftliche Veröffentlichungen
- Schajer G.S., “Practical Residual Stress Measurement Methods”, Wiley, 2013.